Eigentlich weiss ich gar nicht, ob ich überhaupt die Nerven dazu habe, euch das hier zu erzählen. Noch immer klopft mein Herz, wenn ich an heute Mittag denke.
Da sitz ich mit den Kindern am Esstisch und wir unterhalten uns darüber, wann wir unseren Jungstier GREGOR wohl schlachten sollen. (Die Kinder wachsen so natürlich mit den Zyklen des Lebens auf, dass das Töten ihrer lieben, temporären Lieblingstiere und -gefährten einfach dazugehört. Und heute fanden sie, sie hätten bald mal lieber Kalbfleisch.....
Und schon hören wir GREGOR's übermütige, inbrünstige Brüll-Laute durch den Garten schallen. Der ist wegen dem schlechten Wetter heute nicht auf der Weide sondern im Freilauf hinter dem Haus.
Doch bald schon brüllt es erneut. Irgendwie brüllt er heute lauter. Das klingt jedenfalls ganz so, als wäre es ganz in der Nähe. - ?
Ich will mir grad einen Kaffee machen, da sehe ich vor dem Küchenfenster draussen, in der Nähe der Bienenstöcken einen Strauch wackeln. Und wie der wackelt!!!!
Schon renne ich los.
GREGOR steht vor mir. Freilaufend. Ohne Halsriemen. Ein dunkelverschwitztes Fell. Der Jungspund im Fieber seiner Hormone. Reibt seinen Kopf an allen möglichen Stauden und legt sich zu Boden, sogar in die Beete!!!!!
Über 200kg Kampfgewicht.
Ich ein Viertel davon.
Wir stehen uns gegenüber und im Nu hab ich mehr Power als mir der nun verpasste Kaffee jemals geben hätte können. Meine Halsschlagadern pulsieren. Mein Atem geht hastig.
GREGOR bewegt sich unberechbar hüpfend voran. Der weiche Gartenboden von tiefen Trittspuren verunstaltet. Im Hochbeet hat er offenbar schon "gebadet" wie die Spruen der Zerstörung dort zeigen.
Die Kinder retten sich ins Gewächshaus und ich schnapp mir in der Not eine Holzplanke von einem Gartenbeet.
Und nun!?!?!?
Da üblicherweise mein Mann den Stalldienst macht bin ich mit dem Jungstier unvertraut, weiss aber um seine zunehmende Gefährlichkeit wegen seinem Temperament. Und ich weiss auch: WENN ER REISSAUS NIMMT oder nur da und dort in ein Beet stakst, ist die entsprechende Ernte futsch. Jetzt ist die Pflanzzeit nähmlich vorbei.
Es ist wie Laufen auf hauchdünnem Eis. Der Stier und ich und die Holzplanke. Wir drei Ganz alleine.
GREGi drückt gegen meine Oberschenkel. Ein Kräftemessen. Er presst seine Hörner in den Stoff meiner Jeans. Es tut weh. Doch ich weiche nicht aus, denn ich versuche zu lernen seine Bewegungen abzuschätzen. Nach einem langen Kräftespiel wage ich es, ihm die Holzlatte gegen den Kopf zu pressen. Schaffe Raum zwischen ihm und mir.
Er weicht leicht zurück um dann den Druck erneut aufzubauen.
Aha!
Ich beginne mich rückwärts zu bewegen. Er hinterher. Das geht ein Weilchen gut, doch dann sind wir an den Bohnenranken und ich weiss: Eine falsche Bewegung und alles stürzt ein und dann wars das mit Tockenbohnen2021. Ich zittere innnerlich. GREGOR wirft sich auf einen Aroniastrauch. "Badet" darin bis alles in Kleinholz unter ihm zerknickt ist und keinen Widerstand mehr bietet.
*schluck*
Mich packt die Wut. Ich weiche dem Stier hastig aus um es dann zu riskieren, ihm dann hinterher zu rennen. DAS klappt eine Weile gut, doch dann sieht er die Kinder im Gewächshaus und ich dachte schon, er würde....so dass ich ihm die Planke in die Seite stosse, woraufhin er hangaufwärts richtung Sitzplatz galoppierte.
Drei Schritte vor, 4 zurück. Stillstand. In mir drinnen kocht es. Pocht es. Adrenalingeflutet stehe ich da. Wohin nun? JA nicht mehr runter in den Garten! So gut würde eine zweite Runde nicht mehr ausgehen.
Da steht wie aus dem Nichts ein Nachbar im Gartentor. Mit Hund.
GREGOR avisiert den Hund und hüpft dem armen verstörten Vierbeiner mit meterhohen Sätzen entgegen. Der Hund verdünnisiert sich in Windeseile.....und ich krieg irgendwie im richtigen Moment die Kurve, woraufhin GREGOR wie elektrisiert sein Vorhaben zu ändern scheint und auf die Weide runter galoppiert.
Gestreckter Galopp ist zu wenig. Es fliegen die Erdballen....
Ich schliesse den Zaun. Halte erst einmal Inne.
*UFFF!*
- Und bewundere einfach nur die mutigen Kinder, die schon aus dem Gewächshaus nach oben gekommen waren, um ganz besonnen nun einfach den Strom am Weidezaun einzuschalten.